Der Gewittersturm vom 5. September 1903

Kurzfassung:

Gewittersturm am späten Abend des 5. September 1903 von Südwest nach Nordost über weiten Teilen von West- und mittlerem Norddeutschland. Es kommt streckenweise zu verheerenden Sturm- und Hagelschäden. Dieses großräumige Ereignis tobt über mehrere hundert Kilometer hinweg zwischen dem nördlichen Rheinland, Westfalen und Niedersachsen. Durch Blitzschläge werden ein Mann getötet und mehrere Personen teils lebensgefährlich verletzt.

Beschreibung:

Dieser signifikante Gewittersturm ist eines der flächenmäßig größten Unwetterereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er gehört zu einer ganzen Serie von Gewittern, die in den ersten Septembertagen auftreten und deutschlandweit für teilweise erhebliche Schäden sorgen. Dazu gehört u.a. auch der überaus intensive Hagelsturm vom 3. September im südlichen Niedersachsen.

Die Ausgangslage am Mittag des 5. September 1903 (13 Uhr GMT) sieht folgendermaßen aus:

Wetterlage Europa 05. September 1903 13 GMT (Ausschnitt)
Wetterlage Europa 05. September 1903 13 GMT (Ausschnitt)

(Ausschnitt aus: Synoptic Weather Map Northern Hemisphere, September 5, 1903, Quelle: NOAA)

Mitteleuropa liegt im Bereich sehr warmer Luft, in der die Höchsttemperatur am Nachmittag des 5. September vielfach bis an die 30-Grad-Marke steigt und diese örtlich auch überschreitet (Herford: Maximum 31.7°C). Erste Gewittererscheinungen treten bereits in den Morgenstunden im Westen von Deutschland auf. Doch erst im Laufe des Tages verstärkt sich die Gewittertätigkeit. Denn die Kaltfront eines Tiefs nahe Island nähert sich von Westen, sie liegt in der Mittagszeit bereits über der Nordsee, dem westlichen Benelux und Westfrankreich. Vor und an der Front entwickeln sich in den Nachmittags- und Abendstunden verstärkt Gewitter, zunächst hauptsächlich in Nordwest- und Norddeutschland sowie generell im Küstenbereich (Ergebnisse der Gewitter-Beobachtungen in den Jahren 1903, 1904 und 1905). Der hier analysierte Gewittersturm dürfte dabei im Bereich des eigentlichen Frontdurchgangs stattfinden.

Der Gewittersturm oder die in Entwicklung befindlichen Bereiche dieses Unwetters nähern sich der Region Aachen von Südwesten her am frühen Abend (Veröffentlichungen des Met. Observatoriums Aachen Jg. 9, 1903). Dort kommt es ab 18.30 Uhr zu starkem Gewitter, das bis etwa 22.30 Uhr dauert, zeitweise begleitet von heftigem Regen. Es fallen hier 22.2 mm Niederschlag. Auf dem Weg nordostwärts werden zunächst noch keine Schäden bekannt, wenngleich stellenweise heftiger Regen auftritt. In Jülich fallen 17.8 mm Niederschlag in 35 Minuten (Ergebnisse der Niederschlags-Beobachtungen im Jahre 1903).

Erste Schäden durch Sturm und Hagelschlag treten im nördlichen Rheinland zwischen etwa Bedburg und Bergheim auf. Die Zugbahn des Gewittersturms erinnert dabei bisher fatal an das berüchtigte Riesenunwetter vom 26. Juli 1902 und an den massiven Hagelschlag vom 29. Mai 1902. Mit Übertritt über den Rhein nördlich von Köln verstärkt sich der Gewittersturm ganz erheblich. Auf einer Linie zwischen etwa Worringen und Langenfeld kommt es zu Hagelschlag mit Eisbrocken bis etwa Hühnereigröße. Knapp südlich dieser Hagelzone schließt sich das Sturmfeld an, das zwischen etwa Chorweiler und Opladen den Rhein überquert. In Langenberg fallen außerdem 20.4 mm Regen in 30 Minuten.

Der Hauptstrich der Hagel- und Orkanschäden zieht über das nördliche Bergische Land und das nördliche Sauerland hinweg. Ganz enorm betroffen vom Gewittersturm werden gegen 21 Uhr und kurz danach Solingen und Remscheid. Im Bereich Solingen sind vor allem die südlichen Stadtteile betroffen. Hier stürzen zahllose Bäume um, und durch Hagelschlag kommt es zu ganz erheblichen Schäden, ein Mann wird durch den Hagel am Kopf verletzt. Höhscheid meldet dabei 28 mm Regen in 60 Minuten. Auch in Remscheid werden zahlreiche Bäume gefällt, hier stürzen ein Fabrikschornstein und ein Holzturm ein. Die Schadensspur des Gewittersturms ist etwa 10 Kilometer breit. Es treten dabei auch zahlreiche Entladungen auf, die für einige Brände verantwortlich sind. Bei Leverkusen sowie bei Radevormwald werden mehrere Personen durch Blitzeinwirkung teils lebensgefährlich verletzt.

Östlich etwa Remscheid werden keine Hagelschäden mehr bekannt, auch die Sturmböen werden wohl offensichtlich schwächer. Im Bereich Breckerfeld kommt es noch zu erheblichen Sturmschäden, östlich davon jedoch nicht mehr. Nach kurzer Zeit wird mit Übertritt nach Westfalen der Gewittersturm ab dem späten Abend wieder deutlich stärker. Blitz-, Hagel- und Regenschäden werden nach etwa 22 Uhr zwischen Soest und Paderborn bekannt, und ab der Region Paderborn treten auch wieder Sturmschäden auf, die sich weiter nordostwärts erneut intensivieren. In Hövelhof fallen dabei 20 mm Regen in 15 Minuten.

Vor Mitternacht gibt es im Bereich Bad Pyrmont erneut teils erhebliche Sturmschäden, wohl in einer jetzt recht schmalen Schadensschneise. Außerdem tritt auf dem Weg nach Nordosten nochmals Hagelschlag auf, wobei die Hagelkörner im Bereich Coppenbrügge kurz nach Mitternacht am 6. September bis zu Nussgröße aufweisen. Danach dürfte sich der Gewittersturm deutlich abschwächen und mit seinem Schwerpunkt südlich von Hannover vorüberziehen.

Beträchtliche Schäden lassen sich bei diesem Gewittersturm über eine Strecke von etwa 250 Kilometern hinweg verfolgen. Damit ist dieses Ereignis eines der größten, das in diesem Bereich Deutschlands auftritt, zumindest in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts.

Nördlich des eigentlichen Gewittersturmzentrums treten ebenfalls starke Gewitter auf, die schwerpunktmäßig am Niederrhein, stellenweise im Ruhrgebiet sowie vor allem zwischen Münster und Bielefeld für Schäden sorgen. Sie sind zeitlich wohl mit dem Sturm verbunden und zeigen einen weiteren Schwerpunkt der Gewittertätigkeit an. Hier kommt ein Mensch durch Blitzschlag ums Leben.

In der nachfolgenden navigierbaren Karte sind alle Schäden eingetragen, die bei diesem intensiven Gewittersturm am Abend des 5. September und in der Nacht auf den 6. September 1903 in West- und Norddeutschland aufgetreten sind (Mausklick auf die Icons liefert weitere Informationen):

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